FKK mit Behinderung - Wie geht das?
Ich sitze aufgrund einer angeborenen spastischen Lähmung im Rollstuhl und bin im täglichen Leben bei bestimmten Tätigkeiten auf Hilfe von anderen Personen angewiesen. Bei mir zu Hause, in meiner eigenen Wohnung, werden alle diese Tätigkeiten, bei denen ich Hilfe brauche, wie beispielsweise: Aufstehen, bzw. ins Bett gehen, Hilfe beim An- und Ausziehen, Duschen etc., von Pflegehilfskräften des ASB übernommen.
Die Mitarbeiter sind in der Regel keine Fachkräfte. Sie haben meist Crash-Kurse besucht oder sind nur angelernt worden. Worauf ich hinaus will, ist, jeder könnte diese Arbeiten unter meiner Anleitung durchführen.
Weshalb ich das an dieser Stelle erkläre, wird später noch deutlich werden. Das Personal des ASB steht mir zwar zu Hause, nicht aber für private Freizeitaktivitäten zur Verfügung. Ein Rollstuhlfahrer, welcher in Pflegestufe II eingestuft ist, hat in Deutschland kein grundsätzliches Anrecht auf 24stündige Assistenz.
Das bedeutet in meinem Fall, dass die notwendige Grundpflege gesichert ist, die private Assistenz in meiner Freizeit wird bei mir von keiner Stelle finanziert. Ich bin also in meiner Freizeitgestaltung völlig auf mich alleine gestellt oder auf gute Freunde angewiesen.
Vor ca. drei Jahren entdeckte ich meine Leidenschaft für FKK. Ich gehe zwar schon seit ich 16 bin in die Sauna, aber zum FKK Baden kam ich erst 2005 durch einen Bekannten, der nahm mich einfach mit und zog uns beide ganz selbstverständlich am See aus. Ich war zum ersten Mal unter anderen FKK-Anhängern am See.
Seitdem wollte ich im Sommer gerne nur noch nackt in der Natur sein. Ich dachte mir, gemeinsam nackt sein und dabei Gleichgesinnte treffen, kann ich am Besten im FKK-Verein. Da ich in Würzburg wohne, kommen für mich zwei FKK-Vereine in Frage: Einer im Landkreis Würzburg, der andere im Landkreis Schweinfurt. Also schrieb ich beide Vereine an und erkundigte mich wegen einer Mitgliedschaft für Rollstuhlfahrer und fragte, ob die Vereinsgelände barrierefrei seien und ob es dort rollstuhlgerechte Toiletten gibt.
Beide Vereine antworteten mir mit größtem Bedauern, dass eine Mitgliedschaft für Rollstuhlfahrer grundsätzlich möglich sei, aber, sowohl die Vereinsgelände, als auch die Vereinsräume seien für Rollstuhlfahrer schlecht geeignet, bzw. aus baulichen Gründen unzugänglich. Rollstuhl-Toiletten gab es in beiden Vereinen (Stand 2005) nicht. Man verwies mich freundlich an den Präsidenten des DFK, Kurt Fischer. Herr Fischer sagte mir, dass ich für ihn der erste Rollstuhlfahrer sei, der sich für eine Mitgliedschaft in einem FKK-Verein interessieren würde, was ihn persönlich sehr freue, aber, er müsse mir zu seinem tiefsten Bedauern mitteilen, dass keiner der FKK-Vereine, die er selbst schon besucht hat, mit Rollstuhl zugänglich sei. Es gäbe seitens des DFK auch keine Vereinsvorschriften bezüglich der Bauweise und Lage eines FKK-Vereins, da das für die einzelnen Vereine eine zu große finanzielle Belastung wäre. Er riet mir, dass ich mir die beiden für mich in Frage kommenden FKK-Vereine mal ansehen sollte, vielleicht käme ich dort trotzdem irgendwie klar, denn jeder Rollstuhlfahrer habe unterschiedliche Vorstellungen davon, was rollstuhlgerecht alles beinhaltet oder nicht.
Also war das Thema FKK-Verein für mich aus baulichen Gründen nicht möglich.
Im September 2005 fand dann ein Treffen des Internet FKK Forums www.fkk-freun.de im Saunagarten in Mainaschaff statt. Nach langer Planung erklärten sich Dieter und Horst, zwei Mitglieder des FKK-Forums bereit, sich um mich zu kümmern, so dass ich an dem Treffen teilnehmen konnte. Dieter und Horst haben, obwohl wir uns vorher nicht kannten, mich sehr gut versorgt und ich hatte den Eindruck, dass es allen Beteiligten gut gefallen hat. Nachdem ich über das Forum auch nicht an dauerhafte vernünftige Kontakte zu anderen FKK-Anhängern gekommen war, suchte ich im Internet nach FKK-Seen in der Umgebung von Würzburg. Es müssten Seen oder Plätze sein, die sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar, als auch mit dem Elektro-Rollstuhl zumindest halbwegs befahrbar sind. In Grafenrheinfeld, Landkreis Schweinfurt fand ich schließlich den für mich zugänglichen FKK-Badesee.
Also fuhr ich am 05. August 2008 erstmals an den FKK-Badesee nach Grafenrheinfeld. Dort angekommen erlebte ich gleich so einige verwunderliche Dinge:
Als ich da mit meinem Elektro-Rollstuhl ankam, kam ich mir vor, wie einer vom anderen Stern. Ich bin es ja gewöhnt, dass Leute gaffen, wenn sie einen Rollstuhlfahrer sehen, aber so extrem hab ich es selten empfunden. Ich konnte dann sogar das Getuschel hören, »Was will der hier? kennt ihr den? der hat es bestimmt nicht leicht im Leben wegen der Behinderung« ... usw. Als ich anfing mich auszuziehen, was im Rollstuhl nicht so leicht und schnell geht, sah man mir zwar sehr interessiert zu, aber keiner kam auf die Idee, dass ich Hilfe brauchen könnte. Gut! Das mit dem Hilfe anbieten kann ich nicht erwarten und ich weiß auch, dass die meisten Menschen vor Behinderten Angst haben und deswegen, lieber so tun, als sehen sie nichts und gaffen fleißig weiter. Die Höhe ist, dass es vorkommt, wenn ich gezielt Leute höflich bitte, ob sie mal mit anpacken würden? die Antwort ist: »Nein, verpiss Dich!« oder »Such dir einen anderen Deppen, ich bin nicht dein Pfleger!«
Ich möchte klarstellen, dass ich es gut verstehen kann, wenn jemand sagt, dass er das nicht möchte oder nicht kann, aber doch bitte im normalen freundlichen Ton, denn ich frage ja auch höflich.
Ich habe festgestellt, dass es unter FKKlern sehr starke Grüppchenbildung gibt: Die, die immer da sind, die Chefs spielen und alles überwachen. Die, die nur still rumsitzen, alles und jeden beobachten und dabei die Hand an den Geschlechtsteilen und/oder am Hintern oder sonst wo haben. Dann die, die nur am lästern sind. Die normalen Nudisten, die sich unterhalten, baden, essen, trinken, Sonne und die Natur genießen, sind die Wenigsten.
Aus allen Erfahrungen, die ich zu dem Thema FKK mit Behinderung gemacht habe, komme ich zu dem Schluss, dass der viel zitierte Satz: „Nackt sind alle Menschen gleich!” nichts als eine leere Worthülse ist. Nackte und Angezogene haben die gleichen Berührungsängste und Hemmungen, sobald sie auf Menschen mit Behinderungen treffen, sofern sie den Umgang mit Behinderten nicht schon von Haus aus oder durch ihren Beruf gelernt haben und gewohnt sind. Die Leute, die mit mir am See ins Gespräch kamen und mir auch gerne beim Aus- und Anziehen behilflich waren, hatten schon verschiedenste positive Erfahrungen mit Rollstuhlfahrern gemacht, bzw. sind im Pflegebereich tätig. Leute, die nicht mit dem Thema Behinderung vertraut sind, wollen in der Regel auch nicht damit konfrontiert werden.
Würzburg, 19. August 2008
V.i.S.d.P.: Stefan S.
Mein abschließender Appell an alle FKKler, speziell an die Vereine lautet:
Öffnet Euere Türen für Behinderte, schafft barrierefreie Vereinsgelände, geht gezielt auf Behinderte zu und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Integration von FKKlern mit einer Behinderung! Jeder Verein sollte auch bedenken, dass alle Mitglieder älter werden und vielleicht selbst zu Rollstuhlfahrern werden können, bzw. auf Gehhilfen oder einen Rollator angewiesen sind.
Bild → Rollstuhl: © pixelio.de / Rainer Sturm