Es gibt Momente im Leben ...
Endlich. Endlich ist es soweit. Die Boote schieben sich auf den schmalen Kiesstrand des Seeufers. Schnell steige ich aus und reiche den Damen die Hand. Mit vereinten Kräften ziehen wir unsere Boote gänzlich aus dem Wasser. Die Paddel legen wir daneben und ohne ein weiteres Wort streifen wir so schnell es geht unsere Kleider ab. Wenige Augenblicke später stehen wir uns erstmals nackt gegenüber. Wir lachen uns unbefangen an. „Kommt mit”, sagt Kathy, behutsam folgen wir ihr, vorsichtig mit kleinen Schritten in das tiefe, kalte Wasser des Stausees. Schon nach wenigen Metern spüre ich keinen Grund mehr unter mir. Ich schwimme, tauche und kraule wild umher, so daß das Wasser aufspritzt. Maria hat sich auf den Rücken gelegt und läßt sich treiben. Ich werfe einen Blick auf ihren weißen, glatten, makellosen Leib, dann suche ich Kathy. Sie steht schon wieder am Strand. Wassertropfen bedecken ihren Körper, bilden kleine Rinnsale, strömen abwärts, dem Boden entgegen. Mit den flachen Händen streicht sie sich das Wasser vom Körper, reckt und streckt sich.
Es ist einer dieser letzten warmen Tage im Jahr. Hoch steht die Sonne am Himmel. Wir sind vom anderen Ufer gekommen. Haben dort unsere Autos geparkt und das hektische Leben um uns herum, zurück gelassen.
Kathy und Maria breiten die mitgebrachten Handtücher im hohen Ufergras aus. Die Mittagssonne trocknet schnell unsere Leiber. Ich starre gedankenverloren in den blauen, wolkenlosen Himmel. Kein Lüftchen rührt sich. Nur ein kaum hörbares Plätschern des Sees, das Summen der Insekten und das vereinzelte Pfeifen eines Vogels dringt an unsere Ohren. Ich werde schläfrig, rolle mich auf den Bauch und als ich hinübersinke in den Schlaf spüre ich zwei Hände die vorsichtig meinen Nacken streicheln. Langsam gleiten die Hände abwärts, berühren meine Schultern, meine Arme, treffen sich wieder an meinem Hals und streichen wohltuend den Rücken hinunter.
Noch einige Male wiederholt sich der Vorgang, dann läßt meine Wohltäterin von mir ab.
Hinter uns steigt das grasbewachsene Ufer steil an. Kathy deutet auf eine kleine Baumgruppe den Hang hinauf. Von dort oben müßten wir einen wunderbaren Ausblick haben. Bauchhohes Büffelgras, jetzt im Spätsommer fest und gelb wie Stroh, drängt sich an unsere Körper. Vorsichtig steigen wir aufwärts. Unsere nackten, empfindlichen Füße sind kleine, spitze Steine, stachelige Zweige und harten Boden nicht gewöhnt. Hin und wieder stoßen wir auf eine Silberdistel, wunderschön anzusehen aber sehr schmerzhaft, wenn man hineintritt. Bedächtig setzen wir so Schritt vor Schritt, den Kopf gesenkt, mit den Armen den Körper balancierend. Keuchend und schweißnass erreichen wir die Höhe, doch das großartige Panorama entschädigt uns für alle Mühe. Unter uns liegt der hellblaue See in dessen Oberfläche sich der Himmel spiegelt. Am gegenüberliegenden Ufer sehen wir die dichtbefahrene Schnellstraße, doch dringt kein Laut zu uns herüber. In der Ferne, im blaßblauen Dunst erheben sich die Berge. Kathy ist einige Schritte näher an den Rand getreten. Aufrecht steht sie da, den Körper der Sonne zugewendet, den Kopf in den Nacken geworfen, die Augen geschlossen, sie hebt ihre Arme, bereit das wärmende Licht in sich aufzunehmen.
Einige Stunden später treiben wir wieder unsere Boote über den See. Hinter uns lassen wir den Sommer und ein Stückchen vom Paradies.
Text und Bilder: Wolfram Freutel
Aktualisierungen
• 03.10.2024 → Seite erstellt